Das in Deutschland wohl am häufigsten verkaufte Sport-Coupé von General Motors, der Chevrolet Camaro der zweiten Generation (1970-1981), erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit unter Anhängern klassischer US-Fahrzeuge. Obwohl man im Vergleich zu anderen Klassikern nach wie vor viel Auto fürs Geld bekommt, haben die Preise für gut erhaltene Modelle in den letzten Jahren deutlich angezogen und der Trend setzt sich mehr und mehr zu Originalität, mit nur geringen oder weniger sichtbaren Modifikationen durch. Hierzu wird auch die mittlerweile sehr beliebte und kostengünstige Oldtimer Registrierungsvariante mit H-Kennzeichen ihren Teil dazu beigetragen haben.
Vorteilhaft bei diesem Fahrzeugmodell ist die vielfältige Austauschmöglichkeit von Bauteilen, die unverändert durch ganze 12 Baujahre reichen, wodurch die Ersatzteilversorgung auch im Reproduktions-Sektor für die Industrie lohnenswert geworden ist. Somit bleibt der Second-Generation Camaro eines der finanziell überschaubarsten Liebhaber-Fahrzeuge, im US-Car Segment. Um Produktionskosten zu sparen, verwendete General Motors die Grundkarosse unverändert durch eine ganze Dekade hinweg und nur zwei Facelifts zu den Jahrgängen 1974 und 1978 unterscheiden die Modelle der zweiten Generation. Dabei wurden nur die Front- und Heckpartien abgeändert. Die höchsten Camaro-Verkaufszahlen wurden 1979 mit weltweit über 280.000 Fahrzeugen erzielt (Vergleich zur neusten und aktuellen Generation für 2011 nur ca. 80.000 Fahrzeuge). Durch den damals erstmals sehr günstigen Dollarkurs, konnte man das Sport-Coupé mit V8 Motor für schon ca. 14.000 DM erwerben und bekam im Vergleich zu europäischen Fahrzeugen viel Ausstattung fürs Geld. Das in USA bereits wesentlich beliebtere Automatikgetriebe gehörte damals zur “Standardausrüstung” und für geringen Aufpreis gab es Ausstattungsdetails wie z.B. Colorverglasung, elektrische Fensterheber, Klimaanlage, Tempomat sowie elektrische Türverriegelungen gleich mit dazu.
Deutliche Wertsteigerung erfahren heute seltenere Modelle welche mit Targadächern, Z28-Option oder Schaltgetriebe ausgestattet sind. Für Schaltgetriebe musste in jenen Jahren sogar ein Aufpreis gegenüber dem Automatikgetriebe bezahlt werden.
Der satte V8 Sound, für den es zur Erzeugung unzählige Zubehör-Auspuffteile gibt, zählt zu einem der beliebtesten Merkmale dieser Fahrzeugkategorie, welche zumindest bis zum Modelljahr 1973 noch den Muscle-Cars zugeordnet wurde, auch wenn sich dies durch die damals anbahnende Ölkrise und damit verbundenen Umweltmaßnahmen, kaum mehr an Musclecar-gerechten Motorleistung zeigte. So wurde ab 1971 sukzessive, durch eine einfache Maßnahme um der Reduzierung der Schadstoffausstösse gerecht zu werden, die Verdichtung der Motoren weiter abgesenkt (verringerte Stickoxide). Der Camaro Fahrer kann sich als positive Auswirkung der Leistungsreduzierung jedoch selbst damit motivieren, daß die Konzipierung der werksseitig unterdimensionierten Bremsanlage, welche nicht einmal ansatzweise eine akzeptable Relation zu den vorhandenen Werten wie Gesamtgewicht, Leistung oder Drehmoment bietet, eher zum entspannten Cruisen geeignet ist, weniger jedoch für sportliches Fahren auf deutschen Straßen und Autobahnen (an welche die Entwicklungsingenieure des Camaro aber auch nie wirklich gedacht haben dürften). Daraus folgernd sollte die Bremsanlage, gerade weil unterdimensioniert ausgefallen, tunlichst in Schuss gehalten werden, was jedoch durch die sehr günstigen Preise der Bauteile kein wirkliches Problem darstellt.
Dererlei Defizite, von denen es noch ein paar weitere gibt, sind aber auch keine echten Kriterien, auf welche die heutige Fangemeinde des 2+2 Sportcoupes ihre Maßstäbe ansetzt. Man sucht auch keine Duelle mit turboaufgeladenen, japanischen Spoilermutanten, genauswenig wie sich der Harley-Davidson Fahrer auf dem Nürburgring zum Kurven-Duell seines Gleichen sucht. Es ist ein Fahrzeug einfach zum “Liebhaben” und wer dies tut und es genauso behandelt, wird auch einen hohen Gegenwert an Freude und Fahrspaß erhalten. Schon der erste Anblick nach Öffnen des Garagentores, wenn die lange geschwungene Motorhaube und die markante Frontpartie entgegen ragen, lässt den Puls höher schlagen. Das nächste Aha-Erlebnis geschieht beim Öffnen der exorbitant langen und schweren Türen. Diese sollte zumindest auf dem deutschen Supermarktparkplatz mit genügend Respekt geöffnet werden, denn bei einem eventuellen Entgleiten hinterlässt der US-Bolide sonst schnell mal deutliche Markierungen an benachbart parkenden Dünnblech-Beförderungsmitteln. Eingestiegen und betont tief sitzend, genießt man ein ganz besonderes Flair, eine Mischung aus dem typisch amerikanischem Design mit seinen optisch sportlich aber nicht zwingend funktionalen Akzenten, gepaart mit einer aus Sicht des Fahrers schier endlos wirkenden Motorhaube, welche sich nach innen durch das um den Fahrer herum gebaute wuchtige Cockpit mit 6 Rundinstrumenten fortsetzt.
Aber das klassische Anti-High Tech Schmuckstück hat neben den bereits erwähnten fehlenden Fahrleistungen auch seine typischen kleinen Marotten, welche die GM-Ingenieure selbst in 12 Produktionsjahren nicht geschafft haben auszumerzen (falls sie das überhaupt je vor hatten). Einer dieser typischen Mäckchen, die jeder ambitionierte Camaro Fahrer kennt, ist der innere Türgriff welcher auch gleichzeitig in eine Armlehne übergeht. Die Benutzung der Türgriffe der Modelle 1975-1981 sollte daher eher langsam und sachte erfolgen, denn die GM Designer hatten wohl keinerlei Gedanken an die enorme Massenträgheit des massiven Seitenaufprallschutzes – nennen wir es kurzum “Türe”, verschwendet. Wird ohne Bedacht ruckartig daran gezogen, brechen die zu schwach ausgelegten Türgriff-Exemplare zwangsläufig oder reißen zumindest ein - auch dafür gibt es dank guter Ersatzteilversorgung mittlerweile Reproduktionen, die jedoch mangels geringen Herstellungs-Stückzahlen finanziell etwas zu Buche schlagen.
Doch was solls – ein Dreh am Zündschloss und ein tiefes kerniges Brabbeln entschädigt alle fehlenden heute selbstverständlichen High-Tech Errungenschaften. Bevor der Automatik-Gangwahlhebel in eine der Fahrstufen bewegt wird, empfiehlt sich ein eher beherzter Tritt auf das überbreite Bremspedal. Trotz der geringen werksseitigen Leistung von meist nur 175 DIN-PS, reicht nämlich das hohe Drehmoment des Hubraumriesen schon bei leicht über der normalen Standgas-Drehzahl von gerade mal 600 Umdrehungen pro Minute völlig aus, um schlagartig noch ungewollten Vorwärtsdrang zu erzeugen. Der werksseitige Rochester Quadrajet-Vergaser benötigt meist, sofern er nicht regelmäßig fachkundig gewartet wurde, einige Nachjustierungen, im Bedarfsfall auch mal eine etwas aufwändigere Grundüberholung. Stimmen die Einstellungen für Leerlaufdrehzahl sowie Kaltstart-Drehzahlüberhöhung nicht genau, so kann es einen beherzteren Bremspedaltritt erfordern, um ungewollte Vorwärtsbewegung zu vermeiden. Häufig ist auch die ab Werk installierte, doppelte und dadurch mehr Redundanz bietende Gasrückzugfeder der Drosselklappe nicht mehr vorhanden, oder Bastler begnügten sich beim Einbau eines Zubehör-Vergasers, mit einer einfachen Feder. Bricht diese in einem ungünstigen Moment, können je nach Reaktionszeit des Fahrers sehr unangenehme und gefährliche Situation entstehen.
Doch diese Mischung aus Optik, der flugzeugähnlichen Sicht aus dem Cockpit und die aus alten Hollywood-Filmen der 70er Jahre bekannte Geräuschkulisse entschädigt alles. Auch das relativ schwammige Fahrwerk, welches zumindest an der Hinterachse an Konstruktionen der 30er Jahre erinnert, nimmt der Camaro Fahrer ohne Murren in Kauf. Allerdings gibt es hierzu auch ein sehr großes, und im Verhältnis zu europäischen oder japanischen Fahrzeugen sehr kostengünstiges Betätigungsfeld an Modifikationen und Verbesserungen, welche relativ einfach durchgeführt werden können. Die Hinterachs-Federung wird noch mit Blattfedern realisiert. Eine Blattfeder an sich, ist hingegen mancher Gerüchte noch keine wirklich veraltete oder technisch überholte Bauform – man findet Sie auch heute noch an modernen Sportwagen – dann jedoch als Monofeder ausgelegt und aus Glasfaserkunststoff. Hängt das Heck eines Camaros der zweiten Generation bereits deutlich durch - dann zeigt die Blattfeder meist altersbedingte Ermüdungserscheinungen. Hierbei ist Vorsicht geboten! Der eine oder andere findige Tüftler hat hierzu kostengünstige Lösungen parat, die in Wahrheit nur optisch etwas zum Positiven verändern, fahrsicherheitstechnisch jedoch ein erhebliches Risiko darstellen. Dazu zählt z.B. der Einbau einer verlängerten hinteren Blattfederaufhängungen (Shackle) oder aufblasbare Luftstoßdämpfern (im Volksmund auch High-Jackers genannt), die dann ohne Beladung schon fast auf den Maximaldruck aufgepumpt werden müssen, um ein vorderachsähnliches Niveau zu erlangen. Bei letzterer Methode tendiert die Stoßdämpferverbindung zur Hinterachse, da ohne zusätzliche Beladung (für welche die Ausgleichsmöglichkeit mittels erhöhtem Luftdruck dieser Stoßdämpfer eigentlich konzipiert ist), sich einer starren Verbindung anzunähern, was deren Dämpfungseigenschaften so weit verringert, das extreme Haftungsverluste an der Hinterachse die Folge sind.
Die Gefahr lauert aber noch an ganz anderer Stelle: Beim Camaro der zweiten Generation wird die Hinterachse nicht (wie eigentlich üblich) zusätzlich durch Längs- oder Querlenker geführt, sondern nur direkt an den Blattfedern gehalten. Die Fixierung der Hinterachse ist dadurch mehr schlecht als recht und alleine an die Blattfeder gebunden. Bei ermüdeten Blattfedern sind nicht selten schon einzelne Blätter in der Mitte des Befestigungspunktes zur Hinterachse (Herzbolzen) gebrochen, was im montierten Zustand zunächst nur sehr schlecht bzw. gar nicht erkennbar ist. Brechen im Laufe der Zeit weitere Blätter der Feder, ist die Hinterachse dann führungslos und kann sich bei Verzögerung oder Beschleunigung in fast alle Richtungen bewegen! In einem bekannten Fall bewegte sich die Achse bei einem abruptem Bremsmanöver auf der Autobahn so weit nach hinten, das dadurch das Handbremsseil angezogen wurde und ein Blockieren der Hinterachse bewirkte – es folgten mehrere in der Leitplanke endende Kreiselbewegungen welche einen Totalschaden am Fahrzeug zur Folge hatten. Hier hilft nur der Austausch von defekten Blattfedern.
Weitere Verbesserungen des Fahrwerks können auch durch Austausch von bereits porösen Fahrwerksbuchsen (z.B. durch bessere Polyurethanbuchsen) sowie der Austausch von ermüdeten Stoßdämpfern oder Stabilisatoraufhängungspunkten erreicht werden. Manche Camaros der zweiten Generation hatten sogar werksseitig noch gar keinen Stabilisator an der Hinterachse. Dieser war nur in gewissen Ausstattungspaketen enthalten oder musste gesondert dazu bestellt werden. Hier können ebenso deutliche Verbesserungen durch Nachrüstung erzielt werden. Selbst der serienmäßig sehr dünne Hinterachse-Stabilisator bewirkt am leichten und kurzen Heck des Camaros Wunder. Für den Vorderachse-Stabilisator gibt es mittlerweile auch deutlich stärkere Varianten als die werksseitig eingebaute Version.
Fazit: Alles in Allem bereits ein Klassiker, bei dem man jedoch noch kein Vermögen hinblättern muss und sehr viel Cruising-Spaß für wenig Geld bekommt und das Ganze noch gepaart durch eine durchweg gute Ersatzteilversorgung. Überzeugen Sie sich selbst und schauen Sie mal in unsere gut sortierten Online-Shop!
Historie: 1-Generation 1967-1969, 2.Generation 1970-1981, 3.Generation 1982-1992, 4. Generation 1993-2002 (dann Produktions-Stopp bis 2009). 5. Generation 2010-heute (Styling-Repro der 1. Generation), (Testbericht bei http://auto-geil.de/2012/03/25/probefahrt-chevrolet-camaro-v8)